Seit anfangs August sind wir in Südamerika unterwegs. Wir verbrachten jeweils zwei bis vier Wochen in Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien und pendeln aktuell gerade zwischen verschiedenen Ortschaften in Chile und Argentinien. In dieser Zeit sammelten wir nicht nur viele Erinnerungsfotos, wir lernten auch die vielfältigen Kulturen, Traditionen und Gewohnheiten in diesen Ländern kennen.

Oft fanden wir uns in Situationen wieder, die komplett anders sind, als bei «uns» in Europa. Anfänglich hatten wir den einen oder anderen kleinen Kulturschock, manchmal waren wir aber auch einfach nur verblüfft oder staunten über die uns fremden und gleichzeitig eindrücklichen Gepflogenheiten.

Um ein paar dieser Reiseeindrücke mit euch zu teilen, habe ich diesen Blogpost verfasst. Es handelt sich bei den folgenden Schilderungen um meine persönlichen Beobachtungen und Eindrücke. Dabei möchte ich weder Verallgemeinern noch Schubladisieren. Vielleicht habt ihr auch schon lateinamerikanische Länder bereist und ähnliche Erlebnisse gehabt? Womöglich ist Südamerika für euch total Unbekannt und ihr seid neugierig? Oder vielleicht möchtet ihr auch einfach für ein paar Momente in diese Welten eintauchen? Was der Grund auch sein mag, mich würde es freuen, euch mit diesem Text auf eine kleine Reise mitzunehmen:

  • RELIGION – Ob in Ecuador, Peru oder Bolivien, jedes (zweite) Städtchen das wir besuchten, feierte einen religiösen Festtag. An solchen Festtagen haben fast alle Läden zu und die Menschen prozessieren teilweise stundenlang mit Heiligenfiguren, wunderschönen Blumengestecken und fröhlicher Musik durch die Strassen. Auch wenn der Katholizismus erst in der Kolonialzeit von den Spanier nach Lateinamerika kam, sind hier viele Menschen sehr katholisch. Interessanterweise mischt sich gerade in den Andenregionen der katholische Glauben mit einem spirituellen Glauben an Mutter Erde, oder auch «Pachamama» genannt. Beide Glaubensrichtungen haben sowohl in der Kirche wie auch im Familienkreis Platz.

Kloster Santa Catalina, Arequipa, Peru

  • ABERGLAUBE – Neben dem Glauben existiert wohl aber auch ein grosser Aberglaube. So beobachteten wir bei jeder Busfahrt in Kolumbien, wie sich Einheimische vor dem Abfahren bekreuzigen, wie in Chile der erste Schluck Pisco Sour auf den Boden geleert wird, um Pachamama zu ehren, beziehungsweise nicht zu verärgern, oder wie steinerne Kröten in Bolivien fast täglich Koka-Blätter und Zigaretten als Opfergaben in den Mund gesteckt bekommen und bolivianische Minen-Arbeiter den «Tío», der Teufel und gleichzeitig der Gott der Unterwelt, anbeten und mit (reichlich) purem Alkohol auf ihn anstossen – was während der Arbeitszeit für gute Mineralfunde und Sicherheit sorgen soll.
  • BUSFAHRPLÄNE  – Abgesehen von Langstrecken-Bussen gibt es in Südamerika keine Busfahrpläne. In bolivianischen Städtchen gibt es unzählige Busse, wobei jeder Bus mit handgeschriebenen Zettel an der Frontscheibe jeweils seine Endstation(en) notiert hat. Wer entlang der Strasse deutlich winkt, darf einsteigen. Bezahlt wird zu einer Flat-Rate von rund 30 Rappen, jeweils bei der Wunschdestination. «Voy a bajar» – ich werde aussteigen – ist das Signal an den Busfahrer, anzuhalten. In Kolumbien und Ecuador gibt es keine Zettelchen an der Frontscheibe, sondern die «Voceros», Busbegleiter, welche die Haltestellen jeweils laut über die Strasse ausrufen um Fahrgäste anzulocken.
  • BUSRÄTSEL – Nach geschätzten 500 verbrachten Stunden in lateinamerikanischen Bussen kann ich ausserdem festhalten, dass die Anzahl WC- und Essenspausen für den Fahrgast stets ein Rätsel bleiben. Niemand wagt, dies zu erfragen, denn der Busfahrer würde diese Information sowieso nicht preisgeben. Willkür?! Ich habe keine Ahnung. Aber man gewöhnt sich daran.
  • SÜSSE – Süss ist gut. Ob in Kolumbien, Ecuador oder Peru – Getränke wie Kaffee oder Tee sind standardmässig (und für unsere Verhältnisse übermässig) gesüsst, da gibt es kein Pardon. Cola Zero findet man nur auf einem Bruchteil der Getränkekarten und Mineralwasser ist üblicherweise teurer als Süssgetränke.
  • MARKTPLATZ – Ein Highlight an jedem neuen Ort ist der Mercado Central. Supermärkte gibt es oft nur in sehr reichen Vierteln oder in den Hauptorten. Viele kleinere Ortschaften haben keine Supermärkte und die Einheimischen wie auch Touristen erledigen ihre Einkäufe in den grossen Markthallen. Hier findet man einfach alles, und zu meist sehr guter Qualität. Frische, exotische Früchte, farbige Gemüse und Gewürze, Blumen, Fisch, Fleisch, Eier, (kopierte) DVD’s, Socken, Brot, Süssigkeiten, Heiligenfiguren und Duftkerzen, Haushaltswaren und Kosmetikartikel. Der Preis wird durch eher zögerndes, anständiges Feilschen festgemacht. Wer nach den Einkäufen Hunger hat, kann sich im Restaurant-Bereich mit «Plato Completos» für zwei bis drei Franken verköstigen. Standardmässig kriegt man ein Glas Fruchtsaft, eine Suppe (oft eine leckere Hühnerbrühe) und eine Hauptspeise (ein Fleischstück, Reis und Pommes, eventuell ein bisschen Gemüse).

Markthalle in Arequipa, Peru

  • HAARPRACHT – Die indigene Bevölkerung in den Andenregionen haben die wohl besten Haar-Gene auf der Welt. Frauen tragen lange, wunderbar gepflegte Haare, oft zu Zöpfen zusammengebunden. Männer besuchen Coiffeursalons wohl so regelmässig wie Europäer die Crossfit-Boxen, sind stets frisch rasiert und gut frisiert. Graues oder schütterndes Haar ist eine Rarität, sogar bei den Senioren. Da wird man glatt neidisch!

Einheimische der Uros-Inseln in Puno, Peru

  • KOKABLÄTTER – Wer Narcos geschaut hat, weiss, Kokainproduktion und -Handel sind immer noch sehr gross in Kolumbien, aber auch in Bolivien und Ecuador. Von Drogen lassen wir die Finger, doch wir lernten in Peru und Bolivien, wie man Kokablätter richtig kaut: Man nimmt sich 10 bis 15 getrocknete Kokablätter, kaut sie leicht an und schiebt sie links oder rechts oben in die Backe. Danach nimmt man den mitgekauften «Stein» aus Quinoa, Menthol und Anis, puhlt ein Stückchen davon ab und schiebt es sich ebenfalls in die «Hamsterbacke». Das sorgt für frischen Atem und beschleunigt die Spaltung der Koka-Moleküle. Man lässt das Ganze «Knäuel» mindestens eine Stunde im Mund, wechselt es danach mit neuen Kokablättern aus, oder schiebt einfach noch mehr Kokablätter in den Mund. Geübte Koka-Kauer verzehren so rund 50 Gramm pro Tag. Wir schafften es nur auf einen Bruchteil.
  • MODERN TALKING –Dieter Bohlen mit Vokuhila. Kennt ihr den noch?!? Ja genau. Sein 80er-Sound verfolgt uns nun schon seit Kolumbien und feiert hierzulande wohl gerade sein Revival. Wir sassen schon einige Male in Taxis, die Modern Talking Musik und Videoclips zeigten, oder assen in Hostels zu ebendieser Musik Frühstück. Lustig!
  • AVOCADOS – Avocados machen in Europa aktuell nicht gerade positive Schlagzeilen. Und dies zurecht. Kurz gesagt, die Produktion braucht enorm viel Wasser, die Frucht ist alles andere als klimaneutral. In Kolumbien, Ecuador und Peru gibt es viele Avocado-Plantagen und die Früchte werden direkt auf den lokalen Marktplätzen feilgeboten – sie sind etwa ein Fünftel so teuer, drei Mal grösser und 10 Mal geschmackvoller als bei uns zu Hause. Das gilt übrigens auch für die meisten anderen Früchte.
  • SOCIAL MEDIA – Whatsapp und Facebook sind die häufigsten genutzten Kommunikationsmedien. Wir kauften in einigen Ländern einen Monats-Datenplan, dabei war die Nutzung dieser beiden Plattformen gratis. Unsere Meinung: Hier gibt es Aufholbedarf in Sachen Net-Neutrality.
  • ZÄTTELIWIRTSCHAFT – Fast alle Menschen besitzen Smartphones. Doch mit Computern verhält es sich anders. Die meisten Läden, Restaurants und Reiseagenturen arbeiten mit herkömmlichem «Zettel-System». Manuell werden Preise einzelner Speisen aufgelistet und für die Rechnung mühsam addiert, Reservationen für Tagesausflüge werden auf Blöcke notiert und Namen von Gästen auf den Hauptplätzen in einem wilden Durcheinander ausgerufen. Mittlerweile sehen wir diese Dinge schon sehr gelassen, denn, wenn auch chaotisch, meistens funktioniert dieses System trotzdem.
  • REGENBOGENFARBEN – Alles ist farbig. Gerade in Peru und Bolivien liebte ich es, die schön farbig gekleideten Menschen zu beobachten. Stil hat hier die Person, die möglichst viele knallige Farben kombiniert, nicht die Person mit weissem Hemd und schwarzem Anzug. Gerade in Bergdörfern mit karger Vegetation brachten diese Farben Lebensfreude und Energie zum Ausdruck.

Marktfrau in Peru

und zu guter Letzt…

  • …VERWEILEN – Jeder Ort hat ein Hauptplatz, oftmals durch die Kolonialzeit architektonisch geprägt. Hier nehmen sich die Menschen tatsächlich Zeit, vor oder nach der Arbeit hinzusetzen und sich auszutauschen. Die bei uns oftmals festgestellte Hektik hat keinen Platz. Da können wir in Europa noch viel dazulernen. Wir statten jeweils jedem dieser Hauptplätze mindestens einen Besuch ab und verweilen gerne, mit einem Glace oder einem guten Buch in der Hand.

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Natalie and Mirko, Machu Picchu Peru

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